Newsletter corporate 2017 II

1. INTERNATIONALES HANDELSRECHT / VERTRAGSRECHT / LIZENZRECHT

1.1 BGH 22.06.2017: Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen mit Strafanordnung

Der Antragsgegner wurde durch das Appellationsgericht Mailand zur Tragung von Prozesskosten und weiteren 15.000,00 EUR aufgrund verschärfter Haftung wegen mutwilliger Rechtsstreitführung nach Art. 96 Abs. 3 Codice di Procedura Civile verurteilt. Die begünstigte Partei begehrte die Vollstreckbarkeitserklärung des Urteils in Deutschland. Hiergegen wendete sich die Beklagte und ordnete die Strafe als Verstoß gegen den deutschen ordre public (öffentliche Ordnung). Der BGH bestätigte die Vollstreckbarkeitserklärung. Es sei Sache des italienischen Prozessrechts vorzugeben, ob Strafgebühren für unzulässige Verfahrensführung verhängbar sind oder nicht. Auch die deutsche Gerichtsbarkeit kenne solche Missbrauchsgebühren (z. B. vor dem Bundesverfassungsgericht, Sozialgerichten). Eine solche Strafverhängungsmöglichkeit hindere nicht den unbeschwerten Zugang zu den Gerichten. Mit dem amerikanischen Strafschadensrecht (punitive damages) sei eine derartige Regelung nicht vergleichbar. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public sei nicht feststellbar.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr auf, dass selbst in unmittelbaren, europäischen Nachbarländern die prozessualen Bedingungen deutlich nachteiliger sein können, als innerhalb Deutschlands. Dies gilt es beispielsweise auch bei der Erhebung von (gegebenenfalls wenig aussichtsreichen) Blockadeklagen innerhalb Deutschlands (negative Feststellungsklage als Mittel temporärer Prozesshinderung im Ausland) zu berücksichtigen.

1.2 Neuformulierung Gewährleistungsrecht BGB

Mit Neufassung des Werkvertragsrechts und der kaufrechtlichen Mängelhaftung hat der Veräußerer nunmehr explizit auch die Kosten des Ein- und Ausbaus im Rahmen der Mangelgewährleistung zu tragen. Hierzu waren bisher abweichende BGH-Entscheidungen ergangen, die der Gesetzgeber nunmehr korrigiert hat. Die Neuregelungen finden ab 01.01.2018 Anwendung. Dies ist über die Verweisung im Werklieferungsrecht auch für werkähnliche Verträge, die nicht unmittelbar Kaufvertrage darstellen (z. B. komplexe Anlagenverträge), relevant.

1.3 OLG Karlsruhe 23.02.2017: 6 jährige Vertragslaufzeit in AGB

Das OLG hatte einen Fernüberwachungsvertrag zu beurteilen, welcher maßgeblich dienstvertragliche Elemente enthielt. Der Kunde konnte zwischen einer Laufzeit von 24 Monaten mit hohen Raten und einer 72 monatigen Laufzeit mit geringeren Raten durch Ankreuzen wählen. Das OLG hielt ein Aushandeln angesichts dieser "Tick-Boxen" für nicht gegeben, weil kein ernsthaftes Zur-Disposition-Stellen vorlag. Mithin lagen AGB vor. Der Dienstleister versuchte die lange Laufzeit von 6 Jahren damit zu rechtfertigen, dass er Überwachungsanlagen anschaffen müsse. Das OLG vermisste Vortrag dazu, dass nur bei dieser langen Vertragslaufzeit wirtschaftlich gearbeitet werden konnte (Amortisation). Das OLG hielt die Laufzeitklausel für unwirksam nach § 307 BGB (AGB Recht). Dies weil der Dienstleister die eigenen Interessen auf Kosten des Vertrages besonders durchzusetzen versucht hat ohne von vorn herein die Interessen der Vertragspartner hinreichend zu berücksichtigen oder einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Damit war der Vertrag mit einer Frist von einem Monat kündbar.

1.4 BGH 16.05.2017: Mitberechtigung an Erfindungen

Ein Miterfinder, jedoch nicht Anmeldender, verlangte vom Patentinhaber eine billige Entschädigung in Geld für die Nichtnutzung des Patentes. Eine bindende Nutzungsabrede hatten die Parteien nicht geschlossen. Der Kläger begehrte darüber hinaus die Einräumung einer Mitberechtigung direkt am Patent, was das OLG bereits zurück wies. Der existierende ideelle Mitberechtigungsanteil von 5 % berechtige aber grundsätzlich zur Teilhabe im Rahmen der sog. Bruchteilsgemeinschaft nach § 745 Abs. 2 BGB. Der Kläger forderte angesichts 5 %igen Mitbeteiligungsanteils einen Ausgleisbetrag in Höhe von 827.000 EUR. Das OLG war zunächst davon ausgegangen, im Rahmen des § 33 PatG sei anerkannt, dass nicht die Herausgabe des erzielten Gewinns, sondern nach den Regeln der Lizenzanalogie eine Entschädigung verlangt werden kann. Dies gelte auch für Ausgleichsansprüche zwischen Miterfindern. Der Ausgleichsanspruch des nichtnutzenden Miterfinders entstehe erst mit hinreichend deutlicher Geltendmachung. Liegt bei den Parteien ein Ungleichgewicht der Nutzungsmöglichkeiten vor, z. B. aus strukturellen Gründen wobei der Nutzende sein angestammtes Betätigungsfeld und seine Ressourcen mit der Erfindung nutzt, der andere jedoch nicht, bejaht der BGH per se eine Ausgleichspflicht. Liegen zwei im Wettbewerb stehende Unternehmen vor und welche im gleichen Maße nutzen könnten, entspricht es dem gegenüber nicht ohne weiteres der Billigkeit dem Nichtnutzer nur deshalb einen Ausgleichsanspruch zuzusprechen, weil er von der eigenen Nutzung abgesehen hat. Jedoch komme auch in dieser Konstellation ein solcher Ausgleich in Betracht. Hierfür bedarf es aber weiteren Vortrages, warum es dem nicht nutzenden Anspruchsteller nicht möglich war, die Erfindung in vergleichbarem Umfang zu nutzen.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr auf, wie wichtig die klare Abgrenzung der geplanten Nutzung zwischen Parteien im Vertrag, häufig auch schon im NDA, ist.

2. GESELLSCHAFtSRECHT / STEUERRECHT

2.1. BGH 04.04.2017, II ZR 77/16: Abberufung Geschäftsführer in Zwei-Personen-GmbH

HINWEIS: Unsere Kanzlei hat die Beklagte über alle drei Instanzen erfolgreich in dieser Sache betreut.

Der BGH gibt mit diesem Urteil richtungsweisend die Maßstäbe vor für die gerichtliche Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund und der Frage des Stimmverbots des Betroffenen in der Zwei-Personen-GmbH.  Die Vorinstanz (OLG Jena) hatte sehr dezidiert den Meinungsstand der letzten 30 Jahre unter Listung der wesentlichen existierenden Urteile für und wider des Stimmverbots aufgeführt. Hierauf kam es letztlich nach souveräner Beurteilung durch den BGH nicht an. Maßgeblich ist die Letztentscheidungsbefugnis der Gerichte zur retrospektiven Beurteilung, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung bei Beschlussfassung tatsächlich vorlag oder nicht. Der Senatsvorsitzende begründete dies in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 zutreffend auch damit, es verbleibe andernfalls ein erhebliches "Störgefühl", wolle man zulassen, dass ein  Gesellschafterbeschluss nur wegen der fehlerhaften Beurteilung des Bestehens/Nichtbestehens eines Stimmverbots des, von der Abberufung betroffenen, Gesellschaftergeschäftsführers letztlich im Anfechtungsverfahren aufgehoben wird. Dann bliebe nämlich dem entscheidenden Gericht bei unzutreffender Behandlung der Frage des Stimmverbots in der Gesellschafterversammlung durch den Versammlungsleiter ggf. nur, den Beschluss aufzuheben und bei entsprechender Antragstellung des Abberufenden, die Abberufung für wirksam zu erklären, obwohl sich im Verfahrensgang herausstellte, dass kein wichtiger Grund zur Abberufung objektiv gegeben war.

2.2. OLG Thüringen 24.08.2016: einstweilige Verfügung gegen Einziehungsbeschluss

Der betroffene GmbH-Gesellschafter wurde mit Einziehungsbeschluss ausgeschlossen, nach der Satzung hatte dies sofortige Wirkung. Er versuchte mit einstweiliger Verfügung die Behandlung als „Nochgesellschafter“ zu erwirken. Das OLG geht zwar davon aus, dass kein, die Einbeziehung rechtfertigender Ausschlussgrund vorliege. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Eintragung des Klägers als Gesellschafter zur Gesellschafterliste, komme jedoch nicht in Betracht. Denn hierin läge eine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Regelfall unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache (hier: Klageverfahren Anfechtung gegen den Gesellschafterbeschluss). Auch eine einstweilige Verfügung auf Behandlung als Gesellschafter komme nicht in Frage. Eventuelle Nachteile des Klägers aus der Suspendierung durch den Einziehungsbeschluss seien in der Satzung selbst angelegt. Die Gesellschafter haben die entsprechenden Nachteile dieser Sofortwirkung bei Abschluss des Gesellschaftervertrages bewusst in Kauf genommen. Dies steht der Vorwegnahme der Hauptsache maßgeblich entgegen. Konsequenz für die Praxis: Augen auf bei der Gestaltung der GmbH-Satzung!

3. ARBEITSRECHT

3.1. Bundestag 30.03.2017: Gesetz zur Förderung Entgelttransparenz beschlossen

Wesentlicher Inhalt des Gesetzes ist, wie in unserer Update-Veranstaltung bereits angesprochen, die Schaffung einer Offenlegungspflicht hinsichtlich der Vergütungen von vergleichbaren Arbeitnehmern. Der Individualanspruch auf Auskunft zielt nicht auf Mitteilung des konkreten Entgelts einzelner Mitarbeiter, sondern auf den Durchschnittsverdienst einer Vergleichsgruppe. Die Verpflichtung trifft Unternehmen ab 200 Beschäftigten, ab 500 Beschäftigten gibt es ein gesondertes Berichts- und Prüfungsverfahren hierfür. Der individuelle Auskunftsanspruch kann erst 6 Monate nach in Kraft treten des Gesetzes geltend gemacht werden.

3.2. BAG 23.03.2017: Kündigungsfrist Probezeit klar regeln

Gegenständlich war eine Probezeitkündigung mit einer Frist von 2 Wochen. Der Arbeitsvertrag sah zwar die Vereinbarung einer Probezeit von 6 Monaten vor, enthielt allerdings nur eine Regelung zur allgemeinen Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monatsende. Eine explizite kürzere Frist von 2 Wochen für die Probezeit war nicht vereinbart. Konsequent und richtig entscheid das BAG insofern sei die allgemeine vertragliche Kündigungsfrist anzuwenden. Es sei nämlich nicht zwingend während der Probezeit eine deutlich kürzere Kündigungsfrist von 2 Wochen nach § 622 Abs. 3 BGB zu vereinbaren. Mangels klarer Regelungslage sah das BAG jedenfalls eine AGB-rechtliche eine Unklarheit, welche zu Lasten des Unternehmens ging.

3.3. BAG 14.12.2016: vorrübergehender Mehrbedarf – Befristung

Der Kläger wurde mit Sachgrund befristet für einige Monate eingestellt unter Verlängerung um 3 Monaten. Er erhob Entfristungsklage mit dem Argument bei dem beklagten Unternehmen läge ein dauernder Mehrbedarf an Personal vor, nicht nur ein vorrübergehender Mehrbedarf. Er bestritt die Prognose für die Rechtfertigung der zeitlichen Befristung. Das BAG hob die Vorinstanzen, welche die Befristung für unwirksam hielten, auf. Nach BAG könne vorrübergehender Mehrbedarf durch vorrübergehenden Anstieg der Arbeitsleistung im Bereich der Daueraufgaben entstehen ebenso wie durch die Aufnahme zusätzlicher Projekte, für die die Stammbelegschaft nicht ausreicht. Es muss sich aber um einen zeitweiligen Bedarf handeln. Es kommt dem gegenüber aber nicht darauf an, dass dieser zeitweilige Bedarf genau mit der Befristungsdauer einhergeht. Wenn beispielsweise die Prognose besteht, dass der Arbeitgeber nach Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses die (zeitlich beschränkten, aber über die Befristungsdauer hinausgehenden) Mehraufgaben mit seiner Stammbelegschaft erledigen kann, dann ist dies ausreichend und steht der Befristung nicht entgegen. Das Unternehmen muss insofern aber darlegen, warum er damit rechnet, die Daueraufgaben nach Ablauf der Befristung wieder mit der Stammbelegschaft erledigen zu können.

3.4. BAG 15.02.2017: Beendigung Arbeitsverhältnisse bei Rentenbescheid

Das BAG bestätigte die Zulässigkeit einer Tarifbestimmung, wonach mit Eintritt einer unbefristeten vollen Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung das Arbeitsverhältnis enden soll. Es führt aber aus, dass diese Regelung dahingehend interpretiert werden muss, dass der Bescheid des Rentenversicherungsträgers maßgeblich ist.

Die fehlende Bestandskraft des Bescheides und mithin auch die Möglichkeit der Rücknahme eines Rentenantrags durch den Arbeitnehmer zur Vermeidung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses steht der Beendigungswirkung durch Erlass des Rentenbescheids jedoch nicht entgegen. Will der Arbeitnehmer eine Veränderung seines Antragsverhaltens vornehmen, hat er dies jedenfalls noch vor Eintritt der auflösenden Bedingung (Rentenbewilligungsbescheid) zu tun. Das BAG meint zudem, der Arbeitnehmer habe innerhalb der Entfristungsklagefrist nach §§ 21, 17 TzBfG (3 Wochen), den Arbeitgeber hierüber (i.d.R. die Antragsrücknahme) auch in Kenntnis zu setzen.

3.5. BAG 14.12.2016: Verkürzung befristeten Arbeitsvertrages

Der Arbeitsnehmer war zunächst 2 Jahre zeitbefristet eingestellt. Die Parteien vereinbarten während dieser Laufzeit eine Verkürzung des Arbeitsverhältnisses auf einen befristeten Zeitraum von nur einem Jahr. Im Nachgang griff der Arbeitnehmer diese Vereinbarung mit Entfristungsklage an. Auf den ersten Blick verwundert die Überprüfung der Änderungsvereinbarung durch das BAG. Das Gericht sieht hierin zunächst keinen Aufhebungsvertrag (zu einem früheren Termin), weil ein Aufhebungsvertrag im Regelfall auf die baldige Beendigung jedenfalls unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist gerichtet sei. Im Fall war die Änderungsvereinbarung mit deutlichem, größerem zeitlichen Vorlauf geschlossen. Es sah vielmehr eine, der Befristungskontrolle unterliegende, auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Abrede, weil die Parteien die hypothetische Kündigungsfrist um ein vielfaches überschritten. Damit sei, so das BAG die Änderungsvereinbarung auf die befristete Fortsetzung und nicht auf die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Zwar liege lediglich eine Verkürzung der ursprünglichen Befristungsabrede vor, aber auch die Überschrift über dem Vertrag (Arbeitszeit auf Zeit – Änderung Vertragslaufzeit) spräche für eine Befristungskontrolle.

Interessant ist, dass das BAG trotz des deutlichen Unterschreitens der sachgrundlos möglichen Befristung von 2 Jahren eine sachgrundlose Änderung nicht zulässt. Dies wegen des bereits vorherbestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses, nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist lediglich eine Verlängerung einer Zeitbefristung zulässig, nicht jedoch ein ohne Sachgrund vorgenommener Neuabschluss eines verkürzten zeitbefristeten Arbeitsverhältnisses.

3.6. LAG Hamburg 02.11.2016: Überschreitung Minusstundenkonto – ao Kündigung

Nach Dienstvereinbarung waren bei vereinbarter 39-stündiger wöchentlicher Arbeitszeit im Arbeitszeitkonto bis zu 20 Minusstunden zulässig. Das Arbeitsverhältnis war von Abmahnungen geprägt. Zum Kündigungszeitunkt stand das Arbeitszeitkonto bei -59 Stunden. Die außerordentliche Kündigung hielt das LAG für wirksam. Trotz Kritikgesprächen baute der Arbeitnehmer seine Minusstunden zunehmend auf. Das LAG hielt dies im Ergebnis für unzumutbar mit der Folge der Bestätigung der außerordentlichen Kündigung. Das BAG verwarf die Zulassung der Revision.